BVerwG: Voraussetzungen für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten Für den Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen einerseits und zu subsidiär Schutzberechtigten andererseits bestehen unterschiedliche Voraussetzungen. Dies steht mit höherrangigem Recht im Einklang. Die Nichtgewährung des Familiennachzugs steht im Einklang mit Verfassungsrecht. In Bezug auf die zum 1. August 2018 in Kraft getretene Nachzugsregelung des § 36a AufenthG gelten die zu § 32 AufenthG entwickelten Grundsätze, nach denen beim Nachzug von Kindern hinsichtlich der Einhaltung einer Altersgrenze ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts als auch im Zeitpunkt des Erreichens der jeweiligen Altersgrenzen erfüllt sein müssen. Az 1 C 56.20, 1 C 59.20, 1 C 8.21, 1 C 31.21 Urteile vom 8.12.2022 BVerwG-Pressemitteilung
BFH: Kindergeld kann rückwirkend nur für sechs Monate beantragt werden Die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nach § 52 Abs. 50 EStG auf nach dem 18.07.2019 eingehende Anträge auf Kindergeld anzuwenden. Sie regelt, dass festgesetztes Kindergeld rückwirkend nur für sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt wird, in dem der Antrag eingegangen ist. Diese gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig und damit wirksam. Denn eine Verpflichtung, Kindergeld innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruches zu beantragen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Az III R 21/21 Urteil vom 22.9.2022
BGH: Vorkehrungen zur Fristwahrung Werden einem Rechtsanwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung vorgelegt, hat er den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen eigenverantwortlich zu prüfen. Ein Rechtsanwalt muss allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Az XII ZB 113/21 Beschluss vom 19.10.2022 BGH: Verkündung bei Unterhaltsfestsetzungsbeschluss Gegen eine Entscheidung, mit der in einem vereinfachten Unterhaltsverfahren eine Beschwerde verworfen wird, ist die Rechtsbeschwerde zulassungsfrei statthaft. Wenn ein Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, muss er nicht verkündet werden. Eine nicht verkündete Entscheidung ist mit der Übergabe des unterzeichneten Beschlusses an die Geschäftsstelle erlassen. Es geht auch um die Frage, ob die durch eine verspätete Geltendmachung von Einwendungen bedingte Unzulässigkeit einer Beschwerde nach § 256 Satz 2 FamFG zur Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG gegen einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG führt. Die Frage wurde hier verneint. Az XII ZB 450/21 Beschluss vom 12.10.2022
OLG Braunschweig: Keine Kindeswohlgefährdung wegen Förderdefiziten Der Vorwurf, dass ein behindertes Kind nicht die bestmögliche Förderung erhält, begründet keine Gefährdung des Kindeswohls. Auch die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil zukünftig ausfällt, stellt keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Deshalb wird die elterliche Sorge nicht entzogen. Ist das geistige, seelische oder körperliche Wohl von Kindern durch das Verhalten der sorgeberechtigten Eltern gefährdet, obliegt es dem Staat, die Kinder zu schützen. § 1666 BGB, die zentrale Vorschrift des zivilrechtlichen Kinderschutzes, ermöglicht es den Familiengerichten in solchen Fällen in das Sorgerecht der Eltern einzugreifen. Dabei unterliegt das Gericht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d.h. es darf nur erforderliche Maßnahmen ergreifen und hat stets zu prüfen, dass diese auch die mildesten Eingriffe in das elterliche Sorgerecht darstellen. Eingriffe nach § 1666 BGB in das Elternrecht kommen danach immer nur dann in Betracht, wenn von einer konkreten Gefahr für das Kind auszugehen ist. Eingriffe in das Sorgerecht, um eine optimale Förderung zu erzwingen, sind hingegen vom Kinderschutzrecht - auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts - nicht von dem Wächteramt erfasst. Az 2 UF 122/2 Beschluss vom 22.12.2022
OLG Nürnberg: Unterhaltsverfahren in Verbindung mit Vaterschaftsfeststellung Ein Unterhaltsverfahren kann nach § 237 FamFG auch dann mit einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren verbunden werden, wenn dieses wiederum mit einer Vaterschaftsanfechtung verbunden ist, derzeit also eine rechtliche Vaterschaft für das Kind besteht. Dass zwei konsekutive Verfahren vermieden werden und der Unterhalt beschleunigt geregelt wird, ist für das auf den Unterhalt angewiesene Kind von Vorteil; unabhängig davon, ob eine bislang bestehende Scheinvaterschaft in einem Vorverfahren oder in einem hiermit verbundenen Verfahren angefochten wird. Es erscheint demgegenüber nicht gerechtfertigt, ein minderjähriges Kind zu veranlassen, ein Vaterschaftsanfechtungs- und ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren getrennt zu führen, möglicherweise sogar verbunden mit der Einholung von zwei Sachverständigengutachten, um sich nicht der Vorteile des Unterhaltsverfahrens nach § 237 FamFG zu begeben. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. In Rechtsprechung und Literatur ist - wie ausgeführt - bislang nicht abschließend geklärt, ob ein Unterhaltsverfahren nach § 237 FamFG auch dann mit einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren verbunden werden kann, wenn dieses wiederum mit einer Vaterschaftsanfechtung verbunden ist. Az 11 UF 625/22 Beschluss vom 29.9.2022
OVG Nordrhein-Westfalen: Kein Anspruch auf Wegfall des Geburtsnamens Der mögliche Anspruch auf Änderung des Familien- und Geburtsnamens umfasst nicht die Streichung des Geburtsnamens. Es besteht kein Anspruch auf Wegfall des Geburtsnamens. In dem zugrunde liegenden Fall wollte ein Mann nach der Scheidung von seiner Frau seinen Geburtsnamen streichen lassen. Er führte seit der Heirat den Familiennamen "D. von A." Nur dieser sollte erscheinen. Das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage des Mannes zurück. Dagegen richtete sich sein Antrag auf Zulassung der Berufung, vergeblich. Zwar ist es möglich, seinen Familiennamen und seinen Geburtsnamen unter bestimmten Voraussetzungen ändern zu lassen, es besteht aber kein Anspruch auf Streichung des Geburtsnamens. Für ein solches Begehren fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Az 17 A 3319/20 Beschluss vom 15.09.2022
OLG Frankfurt a.M.: Ordnungsmittel bei Verstoß gegen die Umgangspflicht Auch gegen den Umgangsberechtigten können bei Verweigerung der Wahrnehmung gerichtlich angeordneter Umgangstermine Ordnungsmittel jedenfalls dann verhängt werden, wenn die Gründe der Verweigerung (hier: Kosten des Umgangs) bereits im Erkenntnisverfahren berücksichtigt wurden. Az 6 WF 112/22 Beschluss vom 22.8.2022
OLG Zweibrücken: 15-Jährige darf selbst über COVID-Impfung entscheiden Die strikte Ablehnung der COVID-Impfung durch eine alleinsorgeberechtigte Kindesmutter stellt einen Sorgerechtsmissbrauch dar, der dem Kindeswohl zuwiderläuft. Er rechtfertigt den Teilentzug der elterlichen Sorge, soweit er die Befugnis zur Entscheidung über eine Covid-19 Impfung betrifft. Auch die Anordnung eines Ergänzungspflegers ist gerechtfertigt. Az 2 UF 37/22 Beschluss vom 28.7.2022 OLG-Pressemitteilung
OLG Frankfurt a.M.: Zuweisung der ehelichen Wohnung Eine unbillige Härte i. S. d. § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn die abstrakte Befürchtung besteht, die Kinder, die mit der Mutter noch in der Ehewohnung verblieben sind, könnten durch einen Umzug destabilisiert werden, sie könnten in der Folge eventuell die sozialen Bindungen in den Bildungseinrichtungen, im Freundeskreis und bei Vereinen verlieren und dass die Mutter während der Trennungszeit keinerlei Anstrengungen zur Suche von Ersatzwohnraum unternommen hat. Begehrt der Alleineigentümer, der während der Trennungszeit die Ehewohnung dem anderen Ehegatten überlassen hat, die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung nach § 1568a Abs. 1 BGB an sich, gilt der Maßstab von § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB entsprechend, so dass ihm der Anspruch nur dann zu versagen ist, wenn sich der andere Ehegatte auf eine unzumutbare Härte berufen kann. Az 6 UF 87/22 Beschluss vom 18.7.2022
OLG Frankfurt a.M.: Berücksichtigung von Naturalunterhalt für Kinder bei Berechnung von Ehegattenunterhalt Bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt ist der Naturalunterhalt, den ein betreuender Elternteil aus eigenen Einkünften für die gemeinsamen, bei ihm lebenden Kinder aufbringt, vor der Berechnung der Unterhaltsquote von seinem bereinigten Nettoeinkommen in Abzug zu bringen. Die Höhe der Abzugsposition ergibt sich rechnerisch aus der Differenz zwischen dem aus den beiderseitigen Einkünften ermittelten Barbedarf der Kinder einerseits und dem vom barunterhaltspflichtigen Elternteil aufgebrachten Unterhalt andererseits. Az 7 UF 77/21 Beschluss vom 9.6.2022
OLG Nürnberg: Einstweilige Anordnung Kindesherausgabe an Ergänzungspfleger – Unanfechtbarkeit Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar (§ 57 S. 2 Nr. 2 FamFG). Diese Vorschrift ist nicht (entsprechend) anzuwenden, wenn über die Herausgabe eines Kindes an den Ergänzungspfleger entschieden wurde. Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung in Kindschaftssachen sind nur dann anfechtbar, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung über die elterliche Sorge für ein Kind, über die Herausgabe eines Kindes an den anderen Elternteil oder über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson entschieden hat. Az 7 UF 330/22 Beschluss vom 28.4.2022 |